Der Traum der Fülle
Ach ja, wäre es nicht schön, nie mehr Geldsorgen zu haben? Immer genug Essen im Haus, ohne dass ich einkaufen muss? Ein Leben in Fülle und Luxus? Herrlich! Im Märchen „Der süße Brei“ von den Gebrüdern Grimm wird der Traum wahr. Ein Topf, der immer Brei kocht, wenn ich will. Zu den Zeiten als die Märchengeschichten entstanden, gab es selten ein Leben in Fülle und Sorglosigkeit. Außer vielleicht beim Hochadel. Vielmehr war der Alltag von Krieg und Hunger geprägt. Das tägliche Überleben stand ständig auf der Kippe. Das Mädchen in diesem Märchen lebt allein mit der Mutter, was auch ein Hinweis darauf ist, dass der Vater als Haupternährer nicht mehr existent ist. Wahrscheinlich ist er an einer Krankheit oder Auszehrung gestorben oder er hat die Familie verlassen, um irgendwo Geld zu verdienen.
Die Rettung in der Not
Die Not ist so groß, dass das Mädchen in den Wald geht. Das war zu früheren Zeiten wirklich der allerletzte Ausweg, denn der Wald war unheimlich, dunkel und gefährlich und nicht der Erholungs- und Heilort wie heute. Im Wald lauern Bestien, Dämonen, wilde Wesen und Hexen. Wer im Wald lebt, befindet sich außerhalb der Gesellschaft und außerhalb der „normalen“ Welt. Das Mädchen also geht in den Wald, um vielleicht dort noch etwas Nahrung zu finden und nimmt die Gefahren billigend in Kauf. Der Hunger ist einfach zu groß. Eine alte Frau tritt im Wald vor das Mädchen und beschenkt sie mit einem Zaubertopf. Die Alte ist die magische Figur, ein übernatürliches Wesen, eine Gottheit oder eine der „guten Frauen“, die die Häuser segnen und Glück und Wohlstand bringen. Fruchtbarkeit und Fülle symbolisiert auch der Topf der Frau. Mit magischen Zauberformeln kann man ihn beherrschen.
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Der Überfluss wird gefährlich
„Töpfchen koche“ und „Töpfchen steh“ sind die Zauberworte, mit denen der Hunger für immer beendet werden kann. Das Mädchen und seine Mutter leben nun ohne Sorgen und haben immer genug zu essen. Aber hier ist das Märchen nicht zu Ende. Im Gegenteil. Als das Mädchen einmal nicht zu Hause ist, die Mutter aber Heißhunger bekommt, probiert die Mutter das Töpfchen aus. „Töpfchen koche“ und schon gibt es den süßen Brei. Aber der Topf kocht über. Der Brei ergießt sich in das Zimmer, zur Tür hinaus, wälzt sich durch das gesamte Dorf und begräbt die Häuser unter sich. Die Fülle ist zum Überfluss geworden. Reichtum, der das Maß verliert, kann gefährlich werden. Die Mutter hat die Zauberformel vergessen und der Brei kocht immer weiter. Als der Überfluss droht, das Leben des ganzen Dorfes auszulöschen, kommt die Tochter zurück und bannt den Brei. Sie weiß, dass „Töpfchen steh“ den Überfluss aufhält.
Konsumkritik
In Brei ersticken, am Überfluss zugrunde gehen, droht uns das nicht noch heute? Die Maßlosigkeit und die Habgier der Menschen, die „den Hals nicht voll genug kriegen“ sind sehr präsent in unserer heutigen Gesellschaft. Die Märchen funktionieren immer noch als kompetenter Lebensratgeber für uns, wenn wir bereit sind zuzuhören und etwas daraus zu lernen. Wieviel Fülle ist gut? Wann wird die Fülle zum Überfluss, die droht uns zu ersticken? Kennen wir noch die Zauberformel, die uns rettet oder haben wir sie vergessen?
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